Die große Stille

Dass es der Wettergott derart gut mit uns meint, hätten wir nicht gedacht. Ein Wetterfenster für den schwierigen Törn von La Gomera nach Lanzarote lässt uns bereits Ende Februar kurz entschlossen zurück segeln. Am 12. März und damit zwei Wochen früher als geplant, kommen wir in der Marina Rubicon an. Unser reservierter Platz ist frei und so können wir gleich an unserem Liegeplatz für das nächste halbe Jahr festmachen. Dude soll erst einmal hier bleiben, während wir Ende März nach Hause fliegen und den Sommer in Deutschland verbringen wollen. Unseren Flug am 27. März und den Liegeplatz haben wir schon im Dezember gebucht, damit auch ja alles klappt.

Glück gehabt! Corona Lockdown in der Marina Rubicon

Doch es kommt alles ganz anders als geplant. Die Corona Pandemie nimmt ihren Lauf und drei Tage nach unserer Ankunft wird in ganz Spanien der Notstand ausgerufen. Alle Häfen und auch die Hotels werden geschlossen. Man darf zwar noch aus dem Hafen hinaus aber nicht mehr hinein. Zum Glück sind wir jetzt hier und sicher an unserem Liegeplatz. Wären wir nur drei Tage später in La Gomera aufgebrochen, hätten wir unseren Hafen nicht mehr rechtzeitig erreicht.

Die Hotels schließen und alle Urlauber müssen abreisen. Unser Rückflug wird kurzfristig abgesagt. Wir überlegen kurz, ob wir einen der Rückholflüge der Bundesregierung für gestrandete Urlauber buchen sollen. Aber unser Zuhause ist doch hier – auf Dude, wir sind nicht gestandet. Es ist im Moment nicht absehbar, wann wir wieder nach Lanzarote zurückkommen können. Alle Grenzen sind geschlossen. Heimfliegen hingegen können wir im Notfall immer. Condor hält während des gesamten Corona Lockdowns einen Notflugplan von Gran Canaria nach Frankfurt aufrecht. Einmal pro Woche geht ein Flug. Mit unserem Wohnsitz in Deutschland und als deutsche Staatsbürger dürfen wir jederzeit mitfliegen. Das ist beruhigend.

Wir entschließen uns daher erst einmal hier zu bleiben.

Die allumfassende Ruhe nach Abreise der Urlauber

Nach Abreise der letzten Urlauber kommt eine große Ruhe über Playa Blanca und die Marina Rubicon. Die Einheimischen fühlen sich in die Zeit der 1950er Jahre, vor Beginn des Tourismus auf Lanzarote, zurückversetzt.

Wir machen es uns auf dem Boot gemütlich. Abgesehen von den regelmäßigen Gängen zum Supermarkt, bleiben wir an Bord. Mit Sport auf dem Steg, Lesen, im Internet surfen, Computern (das Marina WLAN ist bei den wenigen Nutzern pfeilschnell), Filme gucken und am Boot Werkeln vergehen die Tage und Wochen. Abends sitzen wir meistens im Cockpit und genießen die lauen Abende. Das Nachbar Boot ist ebenfalls bewohnt. Mit Carlos und Julia aus Barcelona ist es immer lustig und wir helfen uns gegenseitig bei unseren diversen Boots-Projekten oder bestellen manchmal zusammen Pizza. Die Pizzeria in Playa Blanca liefert bei Erreichen einer Mindestbestellmenge direkt an den Steg. Zu viert schaffen wir die Mindestbestellung locker.

Angst um unsere Gesundheit müssen wir im beschaulichen Playa Blanca nicht haben. Die Corona Fälle auf den Kanaren und besonders hier auf der Insel bleiben mehr als überschaubar. Der gesamte Bezirk Yaiza, zu dem auch Playa Blanca gehört, hat Corona Infektionen im einstelligen Bereich zu verkraften, alle ohne schwere Symptome. Von den Zuständen am Festland ist man hier meilenweit entfernt. So sehen es auch die Einheimischen, die der Krise mit südlicher Gelassenheit begegnen. Dennoch – man ist hier sehr diszipliniert und hält sich strikt an die Vorgaben aus Madrid.

Corona Lockdown in der Marina Rubicon
Abends auf unserer „Terrasse“ im Cockpit

Eindrücke vom Lockdown:

Falls ihr Einschlafprobleme haben solltet, könnt ihr euch statt Schäfchen zu zählen auch dieses nervenzerfetzende Filmchen anschauen und die Stimmung in der Rubicon während des Lockdowns in euch aufnehmen.

Nach dem Lockdown

Es ist Mai. Im Zuge der Lockerungen öffnen auch die Häfen wieder. Zunächst darf man innerhalb der Inselgewässer segeln, später auch wieder zwischen den Inseln. Urlaubsflüge auf die Inseln gibt es aber weiterhin keine, die Hotels bleiben geschlossen.

Ankerplatz Papagayo – Olaf übt mit der Drohne

Wir nutzen die neue Freiheit und fahren zu den nahen Papagayo Stränden um dort einige Tage zu ankern und zu baden. Die Strände vollkommen menschenleer und einsam zu erleben wird wahrscheinlich ein einmaliges Erlebnis bleiben.

Dude vor den Papagayo Stränden
Unser Fuhrpark
Foto-Experimente mit dem neuen ND Filter, der längere Belichtungszeiten bei Tageslicht erlaubt.

Bis Anfang Juni bleiben wir an den Stränden, dann fahren wir zurück in die Marina und machen Dude an unserem angestammten Liegeplatz fest.

Zurück in die Zivilisation

Im Fährhafen von Playa Blanca gibt es einen Autovermieter der offen hat. Ganze fünf Autos hat er im Angebot, alle anderen wurden mit Beginn des Lockdowns abgemeldet. Eines der Autos zu ergattern ist kein Problem, selbst für die verbliebenen Wägen gibt es mangels Urlaubern kaum Nachfrage. Am 8. Juni schreiten wir zur Tat und mieten einen Seat Leon. Decathlon, Ikea & Co. haben wieder geöffnet und uns zieht es zurück in die Konsumwelt.

Bei Ikea ist es besonders voll und wir erleben einen Kulturschock, nach den wenigen Menschen, die wir in den letzten Monaten gesehen haben. Schnell arbeiten wir unsere Liste ab und nehmen die Maske nur einmal kurz herunter als wir den obligatorischen Hotdog verspeißen. Dann geht es weiter zum Großeinkauf bei Lidl.

El Golfo wie es früher einmal war

Wir nutzen die Gelegenheit und steuern einige der Touristen-Hotspots an, die nun einsam in der Nachmittagssonne schlafen. Zum Beispiel El Golfo: Dort sitzen die alten Männer des Dorfes wie anno dunnemals vor den Häusern, Kinder spielen in den Straßen. Die unzähligen Fischlokale sind geschlossen. Der riesige Parkplatz am Anfang des Dorfes, den wir von früheren Ausflügen nur voll besetzt kennen, ist vollkommen leer.

Auf der Aussichtsplattform am grünen Kratersee, neben den Fischlokalen die Attraktion El Golfos, das gleiche Bild: Wir sind ganz alleine.

Ganz für uns alleine: Die fantastische Aussicht über Krater und Kratersee bei El Golfo

Heimwärts

Es ist jetzt Ende Juli und die Insel belebt sich zunehmend. Seit Anfang des Monats gibt es wieder internationale Flüge auf die Kanaren. Nach und nach kehren die Urlauber zurück.

Wir sind am Zusammenräumen. In knapp einer Woche fliegen nun endlich nach Stuttgart. Dude bleibt hier in der Marina Rubicon. Nächstes Jahr geht unsere Reise weiter. Es bleibt spannend.