Zwischen Rota und Tarifa, am Eingang der Straße von Gibraltar, lebt eine Gruppe Orcas, die sich die Jagd auf kleinere Segelboote zum Sport macht. Die schlauen, bis zu sechs Tonnen schweren Tiere gehen dabei arbeitsteilig vor. Junge Bullen rammen die Segelboote und versuchen in die Ruder zu beißen um die Segelschiffe so manövrierunfähig zu machen. Oft haben sie damit auch Erfolg und so werden täglich Segelboote mitsamt ihren verstörten Besatzungen von der spanischen Küstenwache in die umliegenden Häfen geschleppt. Ein solches Verhalten der Orcas wurde auf der ganzen Welt noch nie beobachtet und die Biologen rätseln, ob die Tiere nur spielen wollen oder mit ihren Angriffen einen tieferen, nur ihnen selbst bekannten Zweck verfolgen. Uns ist das ziemlich egal. Wir wollen es nur orcafrei zur Straße von Gibraltar schaffen. Leider führt der einzige Weg dorthin direkt durch die Jagdgründe der verrückten Tiere. Nach einer Krisensitzung und ausgiebiger Recherche im Internet legen wir uns eine Strategie zurecht: Die bisherigen Angriffe haben alle mindestens eine Seemeile vor der Küste stattgefunden, daher wollen wir im Abstand von nur ca. 500 Metern zum Land segeln, bis die Gefahr auf der Höhe von Tarifa gebannt ist.
Gesagt getan. Wir fahren zwei Tage lang vorsichtig in Rufweite der Strände und halten nach verdächtigen Bewegungen auf dem Meer Ausschau. Unser Plan geht zum Glück auf. Kein Orca zeigt sich und wir erreichen erleichtert Tarifa und den Eingang der Straße von Gibraltar. Ab hier wähnen wir uns in Sicherheit.
Als wir drei Wochen später nochmals auf die Orca-Webseite schauen dann der Schock: In der Nähe der Bucht in der wir übernachtet hatten, fand zwischenzeitlich ein Angriff auf eine ankernde Yacht statt – nur 50 Meter vom Ufer entfernt.
Über eine Fahrt zu diesem Zeitpunkt hätten wir uns aber sowieso keine Gedanken machen müssen. Spanien hat inzwischen das gesamte Seegebiet zwischen Cadiz und Tarifa für Sportboote aus Sicherheitsgründen gesperrt.
Die Orcas haben übrigens ihren eigenen Webauftritt – hier: https://www.orcaiberica.org/
Durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer
Die Fahrt durch die Straße von Gibraltar muss gut geplant werden. Die Strömungsverhältnisse sind kompliziert und wechseln ständig im Rhythmus von Ebbe und Flut. Auf die halbe Stunde genau müssen wir beim Kentern der Strömung auf der Höhe von Tarifa sein, um mit einlaufendem Strom ins Mittelmeer zu gelangen. Bezugsgröße der Berechnung ist dabei der Zeitpunkt des Hochwassers in Gibraltar. Im Internet finden wir etliche Abhandlungen zu der korrekten Berechnung des richtigen Zeitpunktes und wir hoffen, dass wir alles richtig gemacht haben. Gegen die starke Strömung hätten wir keine Chance und würden rückwärts fahren.
Wir haben offenbar richtig gerechnet und werden bei stürmischem Wind mit bis zu 10 Knoten Fahrt über Grund in Mittelmeer gesogen. Bei dem vielen Container-Schiffsverkehr müssen wir haarscharf aufpassen, dass wir nicht gerammt werden. Zum Glück zeigt unser AIS Gerät uns und die Schiffe um uns herum mit Zentimetergenauem Abstand an.
Durch die Nacht nach Almerimar
Im Mittelmeer angelangt, frischt der Wind nochmals merklich auf und die Welle ist ruppig und steil. Der Wind kommt jedoch aus der für uns richtigen Richtung und so beschließen wir Strecke zu machen und die Nacht durchzusegeln. Wir fahren entlang der südspanischen Küste, vorbei am Lichtermeer von Marbella und Malaga. Der Wind trägt uns durch die Nacht, bis er schließlich am Morgen einschläft. Für die letzten Meilen bis Almerimar machen wir den Motor an. Dann ist es geschafft und wir liegen sicher im Hafen.