Kontraste – Venezuela und Stuttgart

Wir haben beschlossen, während der Hurricansaison in Venezuela zu bleiben. Sobald wir einklariert sind, fahren wir mit dem Bus zu den in Seglerkreisen berühmten Supermärkten. Es gibt hier wieder alles und das zu günstigen Preisen. Zunächst vergleichen wir nur, bald stürzen wir uns auch selbst ins Einkaufsgetümmel.

Heimatbesuch

Eine gute Telefonverbindung über Skype und die Bemühungen meiner Eltern in deutschen Reisebüros machen es möglich: Wir können zwei Direktflüge von Porlamar nach Frankfurt ergattern. Die Prozedur ist etwas kompliziert: Die Tickets müssen über Deutschland gebucht und am Flughafen in Porlamar für uns hinterlegt werden – warum das so ist bleibt im Dunkeln. Während Olaf noch mit dem Einklarieren beschäftigt ist, fahre ich zur einzigen Werft mit Trockendock auf Margarita. Wir wollen nur dann heimfliegen, wenn Dude sicher an Land steht. Chacachacare ist im Nirgendwo gelegen. Nach langer staubiger Taxifahrt und radebrechenden Verhandlungen in meinem Pidgin-Spanisch gelingt es mir, einen Trockenliegeplatz für Dude zu buchen – auch ohne die übliche monatelange Voranmeldung und Anzahlung. Fazit: Selbst rudimentäre Kenntnisse der Landessprache brechen das Eis und machen zunächst unmögliches möglich. Am 18. Juli werden wir auskranen. Einen Tag später fliegen wir heim.

Ab auf die Insel: Choche und Cubagua

Bis zu unserem Heimflug wird uns nicht langweilig. Zusammen mit anderen deutschen Yachten besuchen wir die der Isla Margarita vorgelagerten Inseln Coche und Cubagua.

Segler`s Transportesel, Isla Coche, 2006
Segler`s Transportesel, Isla Coche, 2006

Beide Inseln sind bisher weitgehend vom Tourismus verschont geblieben. Auf der Isla Coche ist jedoch rege Hotelbautätigkeit im Gange. Wir sind wohl so ziemlich die Letzten, die die Insel noch nicht als Touristenghetto erleben. Um den Beginn der Ära des Massentourismus auf Coche noch weiter zu beschleunigen, gehen täglich mehrere Katamarane und ehemalige Fischtrawler vor Anker und entladen ihre menschliche Fracht. Die Stereoanlagen werden aufgedreht, provisorische Strandbars errichtet. Na Prost !!! Nach zwei Tagen reicht es uns. Wir segeln weiter zur Isla Cubagua.

Beachlife, Cubagua
Conchbar, Coche

Cubagua ist noch unberührt. Ein kleines Fischerdorf am Strand und einige Fishing Camps an der Luvküste sind die einzige Besiedelung. Die Fishing Camps gibt es auf allen Inseln Venezuelas. Es sind einfache Bretterverschläge mit Wellblechdächern, die von Zeit zu Zeit von Fischern genutzt werden. Matratzen und eine Kochstelle sind der einzig Luxus, den die Fischer auf ihren Fahrten durch die Inselwelt Venezuelas genießen. Uns gefällt es hier.

Wir wandern über die Insel. Es gibt nur vereinzelte Trampelpfade, überall sonst stehen Kakteen. Ich weiche nur einmal kurz vom Pfad ab und trete mir prompt einen langen Stachel ein – durch den festen Turnschuh hindurch.

Auf der Insel befindet sich die älteste europäische Ansiedlung auf amerikanischem Boden. Schon 1492 kamen die ersten 50 Glücksritter auf Cubagua an, gründeten die Siedlung Nueva Cadiz, versklavten die hiesigen Indianer und zwangen sie tauchend die riesigen Perlenvorkommen vor der Küste auszubeuten. Die meisten der Indianer kamen dabei früher oder später ums Leben. Die Fundamente von Nueva Cadiz kann man noch heute bewundern, ein schauriger Ort, wenn man seine Geschichte kennt.

Zwei kleine Mädchen aus dem Fischerdorf begleiten uns neugierig den weiten Weg bis zur historischen Siedlung. Sie sind sehr zurückhaltend, als sie aber merken, daß wir etwas spanisch mit ihnen sprechen können werden sie zutraulicher. Als wir nahe an den Fishing Camps vorbei wandern wird es ihnen unheimlich. Wahrscheinlich werden auch hierzulande kleine Mädchen vor bösen fremden Männern gewarnt. Olaf scheint nicht in diese Kategorie zu fallen. Eine kleine Hand stiehlt sich unauffällig in die seine. Bei Menschen mit langen blonden Zöpfen ist man anscheinend sicher…

Vor Cubagua ist in den 70er Jahren ein Autofrachter gesunken. Seine Überreste kann man halb versunken und verrostet in der Bucht bewundern. Auch wir fahren mit unserer Schnorchelausrüstung hin. Doch das Wasser ist trübe, riesige Fischschwärme und monströse Quallen bevölkern das Wrack, überall unter Wasser ist Metallschrott. Eine unheimliche Aura umgibt diesen Platz. Uns ist die Sache nicht geheuer und bald treten wir den Rückzug an.

Coche und Cubagua: Life is good!
Islas Coche & Cubagua: Life is good!

Von Cubagua geht es nach zwei Tagen weiter zum Trockendock nach Chacachacare. In der Marina del Caribe kranen wir aus. Dude wird sicher an Land aufgepallt. Wir räumen auf und verzurren alles sturmsicher. Dann packen wir unsere Taschen und freuen uns auf daheim.

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Taxi zum Flughafen. Ein Condor-Clipper und die Deutsche Bahn bringen uns sicher nach Stuttgart, wo wir von unseren Eltern am Bahnhof empfangen werden.

Während der Zeit in Stuttgart werden wir von unseren Müttern umsorgt und verwöhnt. Wir genießen die lange vermissten Annehmlichkeiten der Zivilisation: Duschen bis die Haut schrumpelig wird, alle Lichter gleichzeitig anmachen und – Gipfel der Dekadenz – Waschmaschine, Trockner und die Glotze daneben laufen lassen. Nach 1 1/2 Jahren in denen wir unseren Strom selbst erzeugen und das Wasser in Kanistern heranschleppen mussten wird uns ganz schwindlig.

Wir erledigen unseren Büro- und Behördenkram, besuchen Freunde, und jagen nach Ausverkaufsschnäppchen. Insbesondere die schnelltrocknenden Outdoor Klamotten sind in der Karibik nicht zu haben. Viel zu schnell sind die 2 1/2 Wochen vorüber und wir besteigen am 7. August den ICE zum Flughafen nach Frankfurt.