Los Testigos

Hurricansaison

Trinidad

Schnell stellt sich heraus, dass die Einspritzdüsen unseres Motors defekt sind. Wir verlegen uns für die Dauer der Reparatur vom Ankerfeld in eine der Marinas. Die Düsen werden ausgebaut und zum Prüfen gebracht. Wir harren der Dinge. Während wir in der Marina sind, erledigen wir viele Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten. Endlich werden wieder einmal alle Winschen auseinandergenommen, geputzt und neu gefettet. Es ist höchste Zeit: In dem Jahr seit der letzten Wartung, hat sich unglaublicher Gammel in Zahnrädern und Lagern breitgemacht. Wir wundern uns, dass sie sich überhaupt noch bewegt haben.

Ein Hoch auf das Marinaleben. Unbegrenzt Süßwasser, Duschen, Strom, trockenen Fußes an Land gehen, frisches vom Markt in Port of Spain und Waschmaschinen gleich um die Ecke sind für uns ein fast vergessener Luxus. Seit Lanzarote sind wir ununterbrochen vor Anker gelegen.

Wartung I Markt, Port of Spain
Unsere Genuawinsch – Markt, Port of Spain

Während unseres Aufenthalts in Trinidad erreicht die Eiablagesaison der streng geschützten Meeresschildkröten ihren Höhepunkt. In Chaguaramas werden “Turtle-Watching Touren” mit Erfolgsgarantie angeboten. Da sind wir dabei. Abends werden wir zusammen mit anderen Segelfreunden per Bus zum Besucherzentrum des Schildkrötenstrandes an die Luvküste der Insel gebracht. Unter der Führung eines Rangers geht es von dort zu fuß weiter. Unten am Strand bleibe ich überwältigt stehen: Im hellen Licht des Vollmondes erheben sich die riesigen Lederschildkröten auf ihrem Weg zum Strand wie kleine schwarze Inseln aus der Brandung. Als ich weitergehe sind plötzlich überall um mich herum winzige, gerade geschlüpfte Baby-Schildkröten, die wie aufgezogen in Richtung Meer marschieren. Wie eingefroren stehe ich da, damit ich ja keine zertrete. Der Ranger hebt vorsichtig eine auf reicht sie in unserer Gruppe herum. Wir können nicht glauben, dass aus einem solch winzigen Wesen einer der Giganten am Strand werden soll. Fotografieren und Licht sind streng verboten um die Tiere nicht zu stören. Einzig während der Eiablage, wenn die Schildkröte in eine Art Trance fällt, dürfen wir Fotos machen. Am Ende des Abends sind wir sind uns einig: Die Begegnung mit den Lederschildkröten wird uns unvergesslich in Erinnerung bleiben.

Bei den Lederschildkröten
Bei den Lederschildkröten – Grand Riviere, Trinidad

Die Motorreparatur zieht sich hin. Wir erhalten Ersatzdüsen, damit wir die Marina, die uns langsam zu teuer wird, verlassen können. Mit wieder funktionierendem Motor machen wir uns auf, um die Ankerplätze Trinidads zu erkunden. Wir ankern in der Scotland Bay, umgeben von undurchdringlichem Regenwald. Neben den allgegenwärtigen Papageien leben auch Brüllaffen hier. Ihr inferniales löwenartiges Geschrei begleitet uns durch unsere Abende. Kaum zu glauben, dass die Affen wie niedliche Schoßtiere aussehen.

Lost Place

Weiter geht es nach zur Trinidad vorgelagerten Insel Chacachacare, eine ehemalige Leprakolonie. Es ist gruslig hier. Die Kolonie wurde erst vor etwa 35 Jahren verlassen, als ein Heilmittel gegen Lepra gefunden wurde. Heute ist die Insel unbewohnt, nur der Leuchtturm auf dem höchsten Berg ist bemannt. Wir besichtigen das ehemalige Dorf samt Kirche, das langsam vom Dschungel überwuchert wird. Sogar die alten Waschbecken, einige Gebrauchsgegenstände und das Kraftwerk der Insel sind noch vorhanden. Angezogen von der morbiden Atmosphäre dieses Ortes veranstalten die ankernden Segler am Abend eine gemeinsame Gänsehaut erregende Sundownerrunde an dem alten halbverfallenen Landungssteg der Kolonie, letzte Station für die Deportierten…

Lost Place: Leprakolonie, Chacachacare
Lost Place: ehemalige Leprakolonie, Chacachacare

Wieder zurück in Chaguaramas kann die Motorreparatur endlich abgeschlossen werden. Es ist jetzt schon Ende Juni, Zeit in Richtung Venezuela aufzubrechen, wo wir die Hurricansaison verbringen wollen. Regen und Feuchtigkeit nehmen von Tag zu Tag zu, das Klima wird langsam unerträglich. Wir freuen uns auf Venezuela, dort soll es viel trockener sein.

Venezuela

Gemeinsam mit der “Heavy Metal” segeln wir durch die Nacht und erreichen am nächsten Morgen die Inseln der Los Testigos, die schon zu Venezuela gehören. Die Testigos sind sehr einsam, erreichbar nur mit dem eigenen Boot. Ein paar Fischer, ein Militärposten – mehr gibt hier nicht. Obwohl wir auf den Testigos nicht einklariern können, müssen wir uns bei den Militärs melden. Unsere vorhandenen, wenn auch spärlichen Spanischkenntnisse stimmen die Beamten milde und wir dürfen drei Tage bleiben, dann aber müssen wir weiter nach Porlamar um  dort ordnungsgemäß einzuklariern.

Los Testigos
Los Testigos, Venezuela

Wir nutzen die Zeit und erkunden die Inseln. Wir schnorcheln und wandern. Ein von Kakteen gesäumter Pfad führt uns zum Leuchtturm auf dem höchsten Punkt der Inseln. Über steile Dünen steigen wir zur Luvseite, dort erkunden wir wilde, einsame Strände voller Muscheln und Schnecken.

1. Traumstrand Testigo Grande 2. Olaf oben auf
1. Downtown Testigo Grande /  2. Olaf on Top

Zum Sundowner gibt es vezenoelanisches Porlar-Bier aus der Dose. Eisig kalt aus den generatorbetriebenen Kühlschränken der Inselkneipe “Erotica Te” – nicht viel mehr als ein auf Pfähle genageltes Wellblechdach, mit gemauerter Theke.

Am letzten Tag ankern wir vor dem Playa Real.  Königlich schwimmt DUDE vor dem blendendweißen Strand. Das Wasser ist azurblau, hier und da wächst eine Palme. Für die passende Geräuschkulisse sorgt das Brandungsrauschen des nahen Atlantik. Es ist geradzu surreal schön hier. Wir können kaum glauben, dass eine solche Landschaft jenseits von Hollywood existiert.

Dani segelt nach Porlamar
Auf dem Weg nach Porlamar

Die Zeit auf den Los Testigos vergeht viel zu schnell. Es ist schon Anfang Juli und die Hurricansaison steuert langsam ihrem Höhepunkt zu. Wir setzten frühmorgens die Segel und nehmen Kurs auf Porlamar und die Isla Margarita. Die Isla Margarita liegt weit im Süden der Karibik und gilt als hurricansicher. Neben Trinidad ist die Bucht von Porlamar der Treffpunkt der Fahrtensegler während der Hurricansaison. Das internationale Seglerdorf ist bereits versammelt. Wir freuen uns auf das Wiedersehen mit unseren Freunden.